Interview zum Rückblende 2018 Preis für "Kampf um den Forst"

Für fotowissen.eu sprach ich mit Peter Roskothen jüngst über das Langzeitprojekt “Kampf um den Forst”, meine Herangehensweise und auch die eingesetzte Technik:

FW: Lieber David, erstmals herzlichen Glückwunsch zum Preis für die beste Serie bei „Rückblende 2018, Preis für politische Fotografie! Wie fühlt sich das an?

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DK: Ja, es ist eine tolle Anerkennung für drei Monate Arbeit an diesem Thema. Seit September fotografiere ich die Aktionen rund um die Besetzung des Hambacher Forstes als freie Arbeit, habe die Geschichte auch Magazinen angeboten. Ein solcher „unabhängiger Preis“ ist ja dann auch die beste Bildkritik, die man bekommen kann.

 FW: Du sagtest „freie Arbeit“, was heißt das genau, wie kam es dazu?

 DK: Fast schon ein Zufall. Meine Frau wollte mit mir auf eine Demo für die Erhaltung des Waldes gehen. Dort erlebten wir zum ersten Mal, was ziviler Ungehorsam heißt. Da wurde nicht einfach demonstriert, mit Bannern und so. Plötzlich liefen alle Demonstranten los, roten und grünen Fahnen hinterher, in alle Richtungen. Die Polizei wusste überhaupt nicht, wie sie das stoppen sollte. Später wurden wir auf einer Brücke eingekesselt. kein Weg vor oder zurück. Die Polizei wollte, dass wir eine alternative Route gehen. Die Demonstranten trafen sich dann immer wieder in Gremien, Plenen, um zu diskutieren, wie´s nun weitergehen solle. Schließlich, nach 2 Stunden ging es dann nach dem Willen der Polizei. Als wir am Hambacher Forst ankamen, liefen wieder alle los, kreuz und quer in den Wald. Da dachte ich: das ist interessant, da muss ich öfter hin.

 FW: Wie ging es dann weiter?

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 DK: Ich begann, Kontakt aufzunehmen, mit der Mahnwache des Hambacher Waldes, aber auch Infos über Twitter zu bekommen. Das ist ja sozusagen Live News. wenn irgendwo was passiert, liest man es meist dort zuerst. Zu die Räumung des Baumhauses „Paragraf 11“. Da konnte ich morgens einen Livestream sehen und bin dann sofort hingefahren, um das zu dokumentieren. Vom Süden Kölns aus ist es ja nicht weit.

 FW: Einfach so dahin? Wie bist du da reingekommen?

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DK: Das ist natürlich ein Privileg, einen offiziellen Presseausweis zu besitzen, also an Orte zu kommen, die dem Normalbürger, ob Zahnarzt oder Küchenhilfe verweigert werden. Aber auch dann klappt es nicht immer sofort. Rund um das Baumhaus, dass seinerseits durch einen hohen Wall aus Zweigen und Stämmen geschützt war, hatte die Polizei rotes Absperrband gezogen, das ich nicht überschreiten durfte. Irgendwann ging es dann doch, und ich kletterte über die Barrikaden in den inneren Bereich des Baumhauses. Da war ich dann erst mal drin und harrte der Dinge, die da kommen würden.

 FW: Wie war die Stimmung dort?

 DK: Durchaus gelassen. es wurde gesungen, es gab ein Lagerfeuer, eine Frau spielte auf der Gitarre. Die eigentliche Räumung fand ja noch nicht statt, bisher war das Areal nur von der Polizei umzingelt.

 FW: Und dir gegenüber? Gab es Ärger oder Ressentiments?

 DK: Nein, gar nicht. wer nicht erkannt werden wollte, konnte sich ja vermummen, außerdem war Presse ausdrücklich erwünscht und auch über Twitter angefordert.

 FW: Wieso erwünscht, sind die Besetzer nicht kriminell?

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DK: Presse gibt Schutz vor Gewalt durch Polizei. die meisten Polizisten sind ja gut geschult und kommen auch mit Provokationen gut klar. aber genauso wie auf der Seite der Besetzer gibt es auch Beamte, die ihren Frust loslassen. da wurden wohl zT auch versteckte Schmerzgriffe angewendet. Bei Räumungen, wo Presse anwesend war, gab es keine Gewalt. Interessanterweise ist es wiederum aber auch so, dass Fotografen heute viel besser geschützt sind, als vor Erfindung der Smartphone.

 FW: Wie kommt das?

 DK: Vor 10-15 Jahren hatte man als Fotograf auf Demos auch nicht unbedingt ein leichtes leben, da wurde manchem Kollegen auch mal die Kamera weggeschlagen oder Herausgabe der Speicherkarte gefordert. Heute recken sich viele Hände und fotografieren alles mit Smartphone oder stellen Livestreams ins Netz. Da wäre es nutzlos, Fotografen bei ihrer Arbeit zu hindern, dann auch dies würde dann ja wiederum dokumentiert und veröffentlicht.

Die Besetzer werden in den Darstellungen des NRW Innenministeriums mit Clan-Kriminellen gleichgesetzt oder als Terroristen bezeichnet. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Aktivisten, die vor Gericht gestellt wurden, meist einen Freispruch bekamen (Aktuelle Anmerkung: Kürzlich wurde eine Aktivistin mit dem Waldnamen “Eule” wg Widerstand und einfacher Körperverletzung zu 9 Monaten Haft verurteilt). Da sehe ich schon einen gewissen Widerspruch. Die Aktivisten im Wald sind sicher ein Dorn im Auge von Innenminister Reul.

 FW: Wieso?

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DK: Kurz nach den Räumungen und Abriss der Baumhäuser im September verfügte das Oberlandesgericht Münster einen Rodungsstopp im Hambacher Forst. Die Landesregierung hatte sich im Vorfeld wohl darauf verlassen, dass die Gerichte die Rodung durchwinken würden. Das war schon eine deutliche Klatsche an die Landespolitik NRW’ s..

 FW: Kommen wir zu deinem Projekt zurück. Ist die Arbeit unter solchen Bedingungen nicht gefährlich? Es stürzte doch auch ein Fotograf zu Tode.

 DK: Ja, das war sehr tragisch. Steffen Meyn, den ich nicht persönlich kannte, war auch für ein Langzeitprojekt im Wald und wollte im Baumhausdorf Räumungen dokumentieren. Beim Wechseln seiner Speicherkarte stürzte er dann von einer Verbindungsbrücke ab. In der Hektik des Geschehens war er, obwohl klettererfahren, ungesichert. Schlimm war auch, wie RWE später mit der Gedenkstätte umging, die für Meyn im Wald eingerichtet wurde. Sie wurde pietätslos einfach geräumt. Da waren auch persönliche Gegenstände von Meyn dabei, die auf die Müllhalde geworfen wurden. Ziemlich respektlos seinen Eltern und auch anderen Trauernden gegenüber.

Ich selbst habe mich bisher nie bedroht gefühlt, weder durch die Polizei, die ich bisher als sehr professionell empfinde - viele Polizisten sind ja auch gegen die Abholzung des Waldes - oder der Aktivisten. Ich bewege mich aber mit meiner Kamera auch nicht wie ein Elefant im Porzellanladen. Wenn ich Menschen fotografiere hole ich mir zumindest ein stillschweigendes Einverständnis. Ich frage, ob es ok ist oder setze mich Situationen längere Zeit aus. Zumal ich fast nie mit einem Tele arbeite, also immer recht nah an die Situation heran gehe.  Als ich bei der Räumung dabei war, wusste ich allerdings auch nicht vorher, wie die Polizei reagieren würde. Aber ich wurde nicht behindert, ganz und gar nicht. Allerdings stand ich auch nicht im Weg rum.

 FW: Was war der bewegendste Moment bei der Räumung?

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DK: Die Besetzer saßen alle zusammen eingehakt unter dem Baum, eine Frau spielte auf der Gitarre „Imagine“ von John Lennon und alle sangen mit, während Kettensägen die Barrikaden zerlegten. das war schon ein extrem emotionaler Moment für mich, der sich mit der Kamera kaum einfangen ließ.

 FW: Was deine Bilder auszeichnet, ist auch eine große Nähe zu den Waldbesetzern, wie kriegst du das hin?

 DK: Vieles, was da im Wald geschieht, passiert in einer Blackbox. Ich sehe nur das, was man mir erlaubt zu sehen. und das ist abhängig vom Vertrauen, dass ich aufbauen kann. Und das dauert Zeit. Wenn ich merke, dass zwei Menschen sich über etwas intimeres unterhalten, gehe ich einen Schritt weg. Manchmal sitze ich auch nur bei ihnen und höre zu oder esse mit ihnen am Lagerfeuer ohne zu fotografieren. Man vertraut mir inzwischen auch, dass ich keine heimlichen Fotos mache, auf denen Gesichter von Menschen sind, die nicht erkannt werden wollen.

 FW: Wie vermarktest du deine Fotos, bekommst du Aufträge?

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DK: Ich habe ein paar Jobs für den Spiegel und die TAZ rund um den Hambacher Forst gemacht und bis Oktober auch Material an die Agentur laif.de gegeben, die mich vertritt und die Zweitverwertung meiner arbeiten regelt. Inzwischen überlege ich mir genau, ob oder welche Aufträge ich zu diesem Thema annehmen würde und auch für wen. Das Vertrauen, dass ich aufgebaut habe, werde ich nicht missbrauchen, indem ich zu für die Bild Zeitung fotografiere, die eine sehr negativ verfälschte Berichterstattung macht. Trotzdem, und das ist wichtig. Bei aller Nähe und Sympathie zu den Waldbesetzern darf ich eine gewisse professionelle Distanz nicht aufgeben.

 FW: Sympathie, wie kommt das?

 DK: Die Menschen, die im Hambacher Forst in 20 Meter hohen Baumhäusern leben, kommen alle aus unterschiedlichen sozialen, familiären und persönlichen Strukturen. Was ihr Leben im Wald eint ist, dass der Hambacher Forst ihnen einen Sinn gibt. Etwas zu tun und nicht nur zu reden, zivilen Ungehorsam zu leben. und Respekt voreinander zu haben, egal, wer er oder sie ist oder woher er oder sie kommt. Sie nennen sich auch nur „Mensch“, nicht Mann oder Frau. Und viele von ihnen finden es auch wichtig, was ich als Fotograf dort mache. Ein Dokument auch für spätere Zeiten.

 WO:  Mit welchen Kameras arbeitest du, ist es wichtig für dich, welches Werkzeug du nutzt?

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DK: Ich fotografiere mit Kameras von Fujifilm, X-Pro 2 und XH-1 mit dem 16er, 23er und 35er Objektiv, aber auch mit der Drohne Mavic 2 Pro und ausserdem mit einer kleinen Wärmebildkamera. Hört sich recht komplex an. mein Projekt, aus dem ein Buch entstehen soll, besteht aus verschiedenen Bildebenen. Journalistische Fotografie, die ja auch gerade ausgezeichnet wurde. dazu kommen Portraits von Aktivisten und Bäumen und dann noch Wärmebilder. Wichtig sind mir aber eben auch die Portraits. Wobei man bei diesen ja nur die Augen sieht, denn ich fotografiere alle Klimaaktivisten maskiert. Dafür ist der Blickkontakt mit dem Betrachter der Bilder aber gleichzeitig viel intensiver. Fast schon eine Aufforderung. Viele Bäume im Hambacher Forst wurden markiert. Zum Teil durch RWE und die Aktivisten, aber auch wegen vorhandener Fledermaushöhlen. Die Bechstein-Fledermaus gilt ja als besonders schützenswert.

Die Portraits der Menschen und Bäume sind vor dem Hintergrund isoliert, um einen Studio-Effekt zu erzielen. dafür habe ich mit einem starken Godox AD 200 Blitz und einer kleinen Softbox aufgeblitzt, bei sehr kurzer Verschlusszeit, so dass der Hintergrund schwarz wird.

 FW: Wärmebilder?

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DK: Das erste Mal, als ich über die Waldwege im Hambacher Forst ging, kam plötzlich eine Gruppe mit einem Baumstamm aus dem Wald hervor und verschwand gleich danach wieder zwischen dem Gebüsch auf der anderen Seite. Das hatte so etwas klandestines, verstecktes. wie Waldgeister, Irrlichter. Da dachte ich, mit einem Gerät, das nur auf  Temperatur reagiert, kann man diesen Effekt visualisieren. Zumal die Besetzer ja auch unter Beobachtung durch die Polizei stehen, die auch manchmal mit Wärmebildkameras in der Nacht nach ihnen sucht.

 FW: Warum die X-Pro 2?

 DK: Die Kamera ist klein, leise und unauffällig. sie bedroht nicht. Ich fotografiere gerne mit Festbrennweiten. das fordert mich, beweglicher zu sein. Weiter weg gehen, näher ran, in die Hocke. Genauer hinsehen.

 FW: Wie geht es weiter?

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DK: Jetzt ist Winter. der Wald bietet keine Camping- oder Freizeitatmosphäre mehr. das Trinkwasser friert. die Kleidung ist ständig klamm. da kommt wenig Romantik auf. und trotzdem halten viele durch. ich möchte an diesem Projekt so lange fotografieren, wie ich kann. Langsam traue ich mich auch, am Seil hochzuklettern. Ist ein langer Weg in die Baumkrone…

 FW:  „Rückblende 2018“ ist nicht dein erster großer Award. Du hast vor einigen Jahren ja auch schon einen bei World Press Foto gewonnen. Macht sich das bei deinen Aufträgen bemerkbar? Ruhm, Ehre und dann auch noch viel Geld?

 DK: Ruhm und Ehre und schön für´s Ego auf jeden Fall. Reich bin ich dadurch aber nicht geworden. es ist auch nicht so, dass hinterher das Telefon pausenlos klingelt und mich Kunden durch die Welt schicken wollen. ich glaube, der Effekt solcher Preise ist ein Anderer: man bekommt als Fotograf mehr Selbstvertrauen und das spüren dann auch die Kunden. nur: arrogant und selbstgefällig darf man niemals werden!

 FW: Ich danke dir für das Gespräch!

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